Politische Satire: Staatsnah geht die Moderne stiften



Die Initiative `Gewalt geht immer – violare humanum est´ wäre für Albrecht Opaschowsky der geeignetste´
Nutznießer der Förderung. Die Organisation räumt nach eigenen Angaben mit rosaroten Illusionen
bei der Kriminalpolitik auf und hilft so den Bürgern, die Gefahren des Alltags
realistischer einzuschätzen und sich selbst zu schützen.






Die Personen:

Aleyna Gökdal | Manuela Holpert-Mang | Hardy Klaschka

Albrecht Opaschowsky | Sonja Schmidt-Peters | Lars Wessel



S z e n eIII




S: Auch schön. Und nun zu ihnen, Herr Opaschowsky.

O: Ja, bitte ?

W: Freie demokratische Wahlen sind im Vergleich zum Gegenstand der Initiative, für die sie hier bei uns vorsprechen, ein junges Phänomen.

O: Was meine Initiative antreibt, das gibt es bereits seit Menschengedenken.

H: Prostit... ? Entschuldigung - wir reden von ... ?

O: `Gewalt geht immer´.

H: Ja, richtig.

O: `Violare humanum est´.Bewerber Albrecht Opaschowsky

W: Einfach draufhauen, beziehungsweise `zusammenfalten´ - Ich war leider nie sehr gut in Latein.

S: Sie kommen aus Duisburg.

O: Ja.

W: Sind sie vielleicht bekannt mit ...

O: Nein !

S: Das war schließlich nur eine Fernsehfigur.

H: Ein furchtbar gestriger Macho. Herr Opaschowsky sieht ihm zum Glück auch überhaupt nicht ähnlich. Wenn, dann eher seinem Mitarbeiter, diesem Tanne... Tannenbaum.

O: Danke.

H: Das meine ich als Kompliment.

O: Natürlich. Duisburg ist jedenfalls groß genug, dass dort nicht alle miteinander bekannt sind.

G: Bekannt oder verwandt – so schlimm wäre das ja wohl auch nicht.

K: Ansichtssache.

O: Danke, Herr Klaschka. Sie kennen Duisburg ?

K: Nicht näher. Aber immerhin hat auch `Dudelstopp´ seit dem Juli 2010 eine gewisse Affinität zu dieser Stadt.

O: Wohl eher zu einem Tunnel.

S: leise zu Wessel: Das darf doch wohl nicht wahr sein ! Er meint die Dudelparade.

W: leise zu Schmidt-Peters: Unerhört ! Drei Minuspunkte für Pietätlosigkeit ?

S: Wenn schon, dann einundzwanzig Minuspunkte.

W: Sie haben recht.

S: wieder laut: Herr Opaschowsky – bitte, wie sieht es aus mit dem Verhältnis der Bürger zur Gewalt ?

O: Tja, als

O: Teile der Öffentlichkeit reagieren leider mit wachsendem Unmut auf den vermeint- lich zu `laschen´ Umgang mit gefährlichen Straftätern. Es verbreitet sich die absurde Ansicht, das Strafrecht wirke nicht abschreckend, weil immer mehr Gewaltverbrecher in Deutschland ohne gerichtliche Verurteilung davonkommen.

S: Wer verbreitet solche Ansichten ?

O: Zum Beispiel hanseatische Scharfmacher mit Lippen-Herpes. Und als wäre das noch nicht genug, stoßen sinnvolle kriminologische Relativierungen bei Laien regelmäßig auf vorschnelle Ablehnun

G: Etwa die, wonach eine Mehrzahl von gefährlichen Schlägern sich bei genauerem Hinsehen lediglich als etwas zu groß geratene Jungs entpuppt.

H: hämisch: Die netten Jungs von nebenan ... .

O: Außerdem wird gerne übersehen, dass gerade jungen Tätern ein förmliches Strafverfahren oft mehr schadet als nutzt. Soviel zur Bestandsaufnahme.

W: Unterstellen sie dem Mann und der Frau auf der Straße denn folgerichtig Ignoranz ?

G: schmunzelt schadenfroh.

O: Naja, wir haben es mit dem hartnäckigen Trend zu tun, dass immer mehr Bürger das bewährte täterorientierte Rechtssystem nicht zu schätzen wissen.

K: Wohl wahr !

O: Es gibt Gewaltverbrechen, bei denen Menschen schweren Schaden nehmen – das bestreitet niemand. Aber die Öffentlichkeit reagiert mit wachsendem Unmut auf den in ihren – und nur in ihren - Augen paradoxen Umgang mit gefährlichen Straftätern. Das ist ein relativ neues Phänomen.

K: `Neu´ muss ja nicht automatisch falsch sein.

O: Doch, denn Gesellschaft ist ohne Kriminalität kaum denkbar und genau genommen auch nicht wünschenswert, wenn wir keinen Orwellschen Überwachungsstaat wollen.

G: `Beschützen´ muss ja nicht automatisch `überwachen´ heißen.

W: Genau genommen: schon.

S: Wir können das später diskutieren. Herr Opaschowsky ...

O: Aus Sicht meiner Initiative ist der Umgang mit Gewaltkriminalität durch Polizei, Justiz und Politik vorbildlich und deshalb sollte er von den Bürgern mit Vertrauen belohnt werden. Trotzdem bleibt Gewalt einfach ein natürlicher Teil der sozialen Ordnung, mit dem wir leben müssen.

H: Na, danke !

O: Aber bitte ! Eine Lösung wäre zum Beispiel, Frau Holpert-Mang, dass verantwortungsbewusste Frauen und Männer sich bemühen, aggressive Menschen nicht unnötig zu provozieren – und zwar weder durch vermeintlich mutiges, noch durch übertrieben couragiertes Verhalten.

K: Das klingt ein wenig zynisch.

O: Oh, `zynisch´ geht ganz ander

S: Da unterstellt man der Kriminalpolitik schon gerne mal, durch Bagatellisierung von Gewaltverbrechen die Bevölkerung absichtlich zu verängstigen. Oder durch überzogenen Täterschutz. Und zwar damit die eine Vergrößerung des Staats- apparates akzeptiert in der Hoffnung auf mehr Sicherheit für Leib und Leben ... Das ist Zynismus !

W: Eine solche Strategie würde den Interessen der Bürger entgegenlaufen, daher ist diese Unterstellung abwegig.

O: Und das ist Sarkasmus.

S: Wie auch immer: Ihr Fazit bitte, Herr Opaschowsky.

O: Moderne Menschen sollten sich mit den leider alltäglich gewordenen Gewaltdelikten abfinden und arrangieren - mögen die im einzelnen auch noch so unangenehm erscheinen. Die Initiative `Gewalt-geht-immer´ leistet hierzu einen Beitrag. Und zwar indem sie über- triebene Erwartungen zum Thema `Kriminalitätsbekämpfung´ mit dem notwendigen politischen Realismus konfrontiert und so Enttäuschungen vorbeugt. Die wären nämlich unvermeidlich.

W: Haben sie eventuell einen persönlichen Bezug zu ihrer Initiative ? Wurden sie als Kind vermöbelt ? War ihr Vater Tischler ?

G: Oder ihre Mutter ?

W: Haben sie selber geprügelt ?

O: Wie kommen sie darauf ? Weil ich rote Haare habe ?

W: erschrocken: Natürlich nicht ? Nur so ... .

S: Also wirklich, Herr Wessel !

W: Wieso ?

O: Ich hab mich nicht mehr gekloppt als andere gesunde Jungs.

G: Und Mädchen ...

O: holt tief Luft.

G: ... in Duisburg.

O: In Duisburg, in Kloppenburg – wo auch immer. Also, um das mal zu beenden: Der Sprecher der Initiative `Gewalt-geht-immer´ könnte ebenso gut in jeder anderen Stadt neben Duisburg beheimatet sein. Duisburg ist keinesfalls das Zentrum der Gewaltkriminalität in der Bundes- republik und strebt diesen Status meines Wissens auch nicht an. Es scheint leider nötig, das hier mal ausdrücklich zu betonen.

S: Wir halten fest: Herr Opaschowsky hat sich weder als Gewalttäter noch als Gewaltopfer profiliert.

O: Höchstens als Trainer.

W: Jetzt kommt´s nämlich ...

O: Ein kleines bisschen Spaß muss einem die Arbeit doch ab und zu auch machen, oder ?

W: Grundsätzlich ja. In erster Linie arbeitet man natürlich für die Gesellschaft – aber Spaß als Nebeneffekt: gerne. Und für was waren sie Trainer ?

O: Wir boxen ja seit langem mit jungen Straf- und Intensivtätern.

S: Darüber liest man viel.

O: Wir helfen den jungen Männern, ihre Techniken zu verfeinern. Die dürfen sie dann aber natürlich im wirklichen Leben nicht anwenden. Das tun sie idealerweise später auch nicht.

S: Das ist gut. Und ich denke, mit etwas anderem als Gewalt können sie realistischerweise junge Menschen, die nichts anderes kennen als Gewalt, auch nicht erreichen.

H: Mit weltfremden Anschauungsunterricht über Frieden und Nächstenliebe würden sie die sicher nur zusätzlich traumatisieren. Durch `nen Kulturschock.

G: Die Bergpredigt versteht nun mal nicht jeder. Alleine schon sprachlich.

O: Eben: Es würde einem niemand zuhören.

K: zweifelnd: Naja ... wenn sie Boxkurse für Gewalttäter befürworten, sind sie vermutlich auch für Ballerspiele ?

O: Aber ja: Auch da gibt es Regeln, gegen die nicht verstoßen werden darf. Gegen Ego-Shooter sind nur Spießer und scheinheilige Moralapostel.

K: Oder einfach Uninformierte.

O: Ich will ja nur sagen: Sie haben heute vielfach Männer mit viel Testosteron und wenig Team- fähigkeit, denen im Beruf bei der Beförderung vielleicht eine konsensorientierte junge Frau vorgezogen wird - aus guten Gründen, natürlich. Und die dann mit guter Miene unter ihr arbeiten müssen.

H: Da würde ich aber was einwerfen wollen.

O: Nur zu !

H: Wirklich moderne Männer sehen doch zum Glück schon von sich aus ein, dass Frauen aufgrund der jahrtausendealten Benachteiligung moralisch heute eine positive Diskriminierung am Arbeitsmarkt zusteht. Quasi als Ausgleich.

K: Oder einfach als `Dankeschön´.

O: Ich habe ihnen lediglich meine Klientel näher beschrieben. Ob nun vor- oder postmodern oder ohne Bindestrich – das können sie ganz für sich entscheiden.

H: Danke, das tue ich auch.

O: Aber wir sollten uns trotzdem nichts vormachen: In ziemlich jedem anderen relevanten Kulturkreis außer dem westlichen, würden Männer eine solche Behandlung als ungeheure Demütigung erleben oder zumindest als ganz, ganz schlechten Witz. Kurze Pause.

G: lacht kurz: Also – so schlecht finde ich den Witz gar nicht.

H: Darf ich sie mal was fragen, Herr Opaschowsky ? Ich habe da nämlich einen Verdacht ...

O: Nur zu: Fragen sie.

H: Warum geben sie nicht zu, dass sie Gewalt als männliche Eigenschaft ganz in Ordnung finden und eigentlich nur gegen ungesühnte Gewalt agitieren, die gegen irgendwelche kruden Spiel- regeln verstößt ? Dieser Eindruck verstärkt sich für mich nämlich bei ihren Äußerungen.

O: Ich gebe gar nichts zu und verweise auf die Unschuldsvermutung im deutschen Strafrecht.

H: Das ist ja wohl ein schlechter Scherz !

O: Das deutsche Strafrecht ? Nein, ich glaube, das ist nicht als Scherz gemeint. Nach Lachen ist mir – ich darf das mal sagen - sowieso immer weniger zumute in ihrer Runde.

H: mit gespieltem Bedauern: Oh !

S: Besonders viel Freude scheint ihnen die Arbeit für ihre Initiative also nicht zu bereiten.

O: So habe ich das nicht gesagt.

W: Aber gibt es nicht vielleicht doch auch positive Aspekte ?

H: An Gewalt ?

W: ... einen Lichtblick vielleicht ?

O: Ich bin schon zufrieden, wenn ich zwei mal in der Woche mit den Jungs boxe.

G: Das lässt ja tief blicken.

O: Ja, genau: Immer feste auf auf die Schnauze ...

H: Herrjeh, wie vorzivil !

O: ... mit voller Wucht - aber fair ! Bis einer auf dem Boden liegt und völlig ausgepowert ist.

W: Sie haben einen Hang nach unten, wie ?

O: Aber eben sportlich, mit klaren, bewährten Regeln. Mann gegen Mann. Täter gegen Täter, wenn sie so wollen.

H: Gegen die Gleichsetzung von Mann und Täter werden sie hier keinen Widerspruch ernten.

O: Frauen kämpfen anders. Die haben die Quoten. Und die Politik.

W: Und wieder eine Portion Klartext.

G: Das ging wohl gegen mich.

S: So spricht kein souveräner Gewinner, das müssen sie zugeben, Herr Opaschowsky.

O: Mag sein, Frau Schmidt-Peters. Aber ebenso wenig ein routiniertes Opfer.

S: Täter und gleichzeitig Opfer, wie ausgewiesene Experten ja immer wieder betonen ...

O: Wir wollen schließlich keine einseitige Opferfixierung.

S: ... Verlierer und gleichzeitig Sieger – ich glaube, mit dieser Logik kommen sie am besten über den heutigen Abend, Herr Opaschowsky.

O: Opfer machen ja andere Menschen erst zu Tätern.

K: Kann man den nicht mal stoppen ?

O: Wie war das ?

Weiter mit Szene IV






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