Kriminalpolitik

... in der Satire und in der Diskussion

Kriminalpolitik ist der Teil der Politik, der sich mit der Strafgesetzgebung, dem Strafvollzug und der Kriminalitäts-Prävention bezieht. Sie tut dies idealerweise im Hinblick auf die Menschenrechte, die Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit. Aber wie wirkt Kriminalpolitik auf die 'einfachen' Bürger ?
Eingeladen zur Diskussion waren Hans-Günter Mahr vom Weißen Ring und die Kriminologin Birte Brodkorb von der FU Berlin.

Öffentliche Diskurse über Kriminalpolitik drehen sich häufig um Phänomene aus den Schlagzeilen, wie Amokläufe, Killerspiele oder die sogenannte 'Party- und Eventszene'. Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft stellen sich dabei dem Unmut vieler Bürger über paradox wirkende Urteile aus der Strafjustiz und die angeblich zunehmende Gewaltbereitschaft. So auch bei dieser Diskussion.

In Berlin sprachen Hans-Günter Mahr vom `Weißen Ring´ und Birte Brodkorb vom Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie der FU Berlin mit Hartmut Lühr von der satirischen Projektreihe Gewalt-geht-immer darüber, wie die Bürger den offiziellen Umgang mit Gewaltverbrechen wahrnehmen.
Hans-Günter Mahr verwies auf das Motto des Weißen Rings 'Wenn alle dem Täter hinterher rennen, wer kümmert sich dann um das Opfer ?', mit dem auf die nach wie vor bestehende Täterfixierung der bundesdeutschen Kriminalpolitik aufmerksam gemacht und zum Nachdenken angeregt werden solle. Eine Gefahr, dass Bürger durch überspitzte Slogans wie diesen verunsichert würden, sähe er nicht. Der Weiße Ring habe schließlich kein Interesse daran, die Furcht vieler Menschen, Opfer von Verbrechen zu werden, noch zu verstärken, wie dies etwa manche Massenmedien täten. Mit der Angst vor Gewalt ließen sich zwar vortrefflich politische Interessen verfolgen. Die gesellschaftliche Verrohung bekomme man mit Hilfe von Kriminalpolitik jedoch vor allem auf längere Sicht nicht in den Griff. Laut Mahr wurden die Menschen im Verlauf ihrer gesamten Geschichte zur Beachtung traditioneller Werte angehalten und dennoch sei immer wieder gemordet, geraubt, gestohlen und betrogen worden. Heute würden in manchen Lebensbereichen diese traditionellen Werte nicht mehr gelten: Wenn z.B. nach einem gewaltsamen Angriff oder einer Schlägerei ein Opfer am Boden liegt, dann wird noch mit dem beschuhten Fuß heftig nachgetreten. Eine Rückbesinnung auf Werte wäre durchaus überlegenswert.

Birte Brodkorb gab zu bedenken, dass Strafverfahren aus guten Gründen keine Orte der Opferhilfe seien, auch wenn dies vielen wünschenswert erscheine. Kriminalitätsopfer spielten für die auf Prävention bedachte Justiz jedoch nur eine untergeordnete Rolle, da sie keinen Einfluss darauf hätten, ob Gewalttaten sich wiederholen könnten. Der Angst vieler Bürger vor zunehmender Gewaltkriminalität stünden zudem sinkende Verbrechensstatistiken gegenüber. Die in den allermeisten Fällen unbegründete Furcht, Opfer von Gewaltkriminalität zu werden, stelle durchaus ein gesellschaftliches Problem dar, das durch die oftmals reißerische Bericht-erstattung der Boulevardmedien noch verstärkt werde. Hierdurch könne eine problematische Ursache-Wirkungs-Spirale entstehen: „Je mehr Angst erzeugt wird, desto lauter wird der Ruf nach härterem Durchgreifen und umso mehr kann dann repressive Kriminalpolitik stattfinden, die wiederum mehr Angst freisetzt.“
Brodkorb plädierte gegen eine allzu marktschreierische Hau-drauf-Politik und für mehr Prävention im Bereich `Gewaltverbrechen´. Gerade die neuere progressive deutsche Kriminologie könne hier einen wichtigen Beitrag leisten, wenn mehr auf sie gehört würde.

Der Umgang mit Gewaltkriminalität durch Polizei, Justiz und Innenpolitik ist vorbildlich und wird von den Bürgern mit großem Vertrauen belohnt. Gewalt ist ein natürlicher Teil der sozialen Ordnung – ohne sie käme es zu Anarchie. Verantwortungsbewusste Frauen und Männer sollten sich bemühen, aggressive Menschen nicht durch übertrieben selbstbewusstes oder unnötig couragiertes Verhalten zu provozieren.