Die Personen:
Aleyna Gökdal | Manuela Holpert-Mang | Hardy Klaschka
Albrecht Opaschowsky | Sonja Schmidt-Peters | Lars Wessel
S z e n eI
In einem Wartesaal mit leichtem Hall.
G: Von diesem Treffen verspreche ich mir sehr viel.
K: Ich hoffe auf ein gutes Ergebnis für uns alle.
O: Außerdem haben wir ja auch noch unsere kleine Absprache.
H: Trotzdem: Uns allen viel Glück.
W:
betritt den Saal: Einen schönen guten Abend, die Herrschaften ! Sie möchten jetzt bitte
eintreten.
Die Gruppe betritt einen kleineren Raum mit weniger Hall.
G: Vielen Dank.
K: Sehr beeindruckend.
W: Ich darf vorstellen: Frau Schmidt-Peters, die Leiterin unserer Stiftung.
H, G: Guten Abend.
O: Vielen Dank für die Einladung.
K: Endlich lernen wir uns persönlich kennen !
S: Danke, Herr Wessel. Meine Damen, meine Herren: Ich freue mich, sie alle zusammen
in Hamburg empfangen zu dürfen. Das Warten ist ihnen hoffentlich nicht lang geworden ?
W: Ich glaube, unsere Berwerberinnen und Bewerber haben draußen bereits erste Kontakte
untereinander geknüpft.
H: Das kann man so eigentlich nicht sagen ...
S: Dann sind sie Frau Holpert-Mang – von der Initiative `Wir-sind-wichtig´.
H: Ja - was natürlich nicht heißen soll, dass ich normalerweise nicht auch gerne Kontakte knüpfe.
K,G: schadenfrohes Schmunzeln.
H: Aber was ist heutzutage schon `normal´, nicht wahr ?
K: Nothing new but normal ...
H: Also, was denn nun ?
S: Frau Gökdal von der Initiative `Wahlzusage´ - sehe ich das richtig ?
G: Ja, ganz genau. Ich freue mich.
S: Und sie sind Herr Klaschka von `Dudelstopp´. Aus Hamburg. Und jetzt Berlin.
W: Wir behandeln alle Bewerber gleich.
G: Gleich - sehr gut !
W: Ganz egal, woher sie kommen.
K: Aus Berlin-Prenzlauer Berg.
S:
anerkennend: Ah !
H: Ist das ein Code ?
K: Nein, nur ein Klischee.
H: Will heißen ?
K: Manche meiner Nachbarn sind anscheinend umtriebige Trendjäger.
H: Interessant. Manche meiner Nachbarn machen sich gegenseitig teure Freundschaftsgeschenke.
S: Nun, von Verallgemeinerungen und Stereotypen wollen wir uns heute nicht beeinflussen
lassen.
G: Das finde ich sehr gut.
S: Und schließlich - last but not least: Herr Opaschowsky.
O: Solange ich von uns Vieren heute nicht ebenfalls auf dem letzten Platz lande, soll es mir recht
sein: Albrecht Opaschowsky für `Gewalt geht immer´.
W: Das bringt Ihnen sicher nicht nur Sympathien ein, oder ?
O: Doch, eigentlich schon. Warum denn auch nicht ?
S: Es freut mich, dass sie alle den Weg zu uns gefunden haben. Meine Damen, meine
Herren, nehmen sie doch bitte Platz.
Gäste setzen sich.
H: Was für ein schöner grauer Tisch ! Ist das ein echter Pössenbacher ?
W: Aber, ja ! Die großzügige Schenkung einer politischen Eminenz.
H: Ach, daher die Farbe.
S: Sie sind mit der Satzung unserer Stiftung moderne21 vertraut ?
G: Um ehrlich zu sein: Eine Doktorarbeit könnte ich jetzt nicht darüber schreiben.
O: Ich hatte ebenfalls gehofft, dass ... . Naja. So ein bisschen allgemein und mehrdeutig ist ihr
Kodex ja tatsächlich an einigen Stellen.
W: Aber ihre aller Erwartungen sind dafür umso eindeutiger, sehe ich das richtig ?
S: Herr Wessel, wirklich ! Nun gehen sie die Herrschaften doch nicht gleich so an !
K: Oh, das ist schon in Ordnung.
H: Wir erhoffen uns ja tatsächlich etwas von ihnen.
O: Und das nicht zu knapp, wenn ich das für uns vier mal so sagen darf.
G: Ist mir eher nicht so recht – wenn ich ehrlich bin.
O: Und das ist jetzt der Fall, ja ?
G: Jetzt und überhaupt. Also wirklich !
S: Dann also doch ein paar zusammenfassende Worte über unsere überparteiliche aber dennoch
staatsnahe Stiftung `moderne21´ und ihr Selbstverständnis ...
H: Oh, ja.
S: Es kommt immer häufiger vor, dass Bürger dieses Landes die Entscheidungsträger in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft scharf kritisieren. Das geschieht jedoch in den allermeisten Fällen
völlig ungerechtfertigt. Denn bei den Spitzenkräften handelt es sich fast ausnahmslos um
seriöse Experten, die sich fest am Gemeinwohl orientieren.
H: Hm ...
S: Trotzdem möchte die Stiftung `moderne21´ jenen Fehlgeleiteten eine Stimme und ein wenig
Halt geben, die fälschlicherweise meinen, sie würden von staatlichen Institutionen
bevormundet, von Politikern übervorteilt und von der Wirtschaft ausgebeutet.
Herr Wessel ...
W: ... wir alle wissen, dass die Bundesrepublik ein Land mit Zukunft ist und dass die
Veränderungen im Bevölkerungsaufbau Deutschland interessanter machen. Durch die
ungewöhnliche demografische Entwicklung stehen große Umbrüche bevor. Unausweichlich.
O: Richtig.
W: Verantwortungsbewusste Bürger begreifen das allerdings als Chance. Man muss halt die ja
leider sehr störungsanfällige soziale Keimzelle `Familie´ nach und nach durch kompetente
staatliche Einrichtungen ersetzen. Verschiedene Ministerien widmen sich dem bereits seit
den siebziger Jahren. Krude Ansichten wie solche, nach der die kinderunabhängige Single-
Gesellschaft zum scheitern verurteilt ist, haben deshalb keine Zukunft.
Frau Schmidt-Peters ...
S: Gerne. Als für die allgemeine Lebensqualität besonders günstig erweisen sich außerdem die
weitreichenden Aktivitäten des Sozialstaat
S: Seine Beschäftigten haben ein großes Interesse an
der Zufriedenheit und Sicherheit der Bevölkerung. Sie streben aber trotzdem an, ihre Arbeit
lieber heute als morgen überflüssig zu machen. Aus dem wachsenden Einfluss des Staates auf
das Leben der Menschen resultiert nach Auffassung unserer Stiftung ein Mentalitätswandel, der
Tatendrang und Optimismus fördert. Wenn Politik und Wirtschaft ihn nur richtig flankieren.
Herr Wessel ...
W: Wir von der Stiftung `moderne21´ bringen uns mit Kreativität, Zeit und Geld für
gemeinschaftliche Zwecke ein. Wir stehen Politik, Wirtschaft, Medien und Verwaltung bei der
Bewältigung der Folgen gesellschaftlichen Wandels zur Seite. Und zwar mit Hilfe eigener
Ideen und künstlerischer Ausdrucksformen. Genauso wie alle relevanten politischen Kräfte
beurteilt die `moderne21´-Stiftung den neoliberalen Kapitalismus ebenso skeptisch wie ihr
gleichzeitig der Ausbau des Wohlfahrtsstaates am Herzen liegt.
H: Schön ... .
W: Unsere Stiftung verschließt sich dabei nicht dem Dialog mit den Mächtigen, sondern geht auf
sie zu, um sie brüderlich zu umarmen.
Frau Schmidt-Peters ...
S: Mein lieber Herr Wessel ...
W: Ach, richtig - das war´s ja schon !
H: Also, besonders der Schluss hat mir gut gefallen - mit dem Umarmen ...
W: Ist schön, nicht ?
H: ... das beinhaltet doch sicher mehr als den bloßen Austausch von Körperwärme.
S: Das hängt ganz davon ab, welches Personal – um jetzt nicht das unschöne Wort `Human-
kapital´ zu verwenden - unserer Stiftung bei der Umsetzung ihrer Agenda zur Verfügung steht.
Und es ist leider so, dass wir jedes Jahr lediglich eine zivilgesellschaftliche Bewegung
finanziell unterstützen können mit 200.000 (€).
G: Es kann also nur eine Gewinnerin geben oder einen Gewinner ?
W: Exakt.
H: Können die nachplatzierten sich eigentlich nächstes Jahr erneut bewerben ?
S: Nein, erst nach zwei Jahren wieder. Hat sich jemand von ihnen letztes Jahr bereits beworben ?
G: Ja, voriges Jahr.
O: Ach, dann dürfen sie ja jetzt gar nicht dabei sein.
G: Sind sie immer so voreilig ?
O: Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, das passiert mir immer nur, wenn etwas auf dem Spiel steht.
Oder eine Niederlage droht. Oder der Verlust etwas bereits sicher Geglaubten.
S: Sie sind sehr aufrichtig, Herr Opaschowsky. Danke dafür.
O: Ich gebe mir Mühe.
W: À la bonne heure ...
G:
leise: Mist !
O: Ja, Frau Gökdal ?
G: Ich wollte nur eben erklären, warum die Initiative `Wahlzusage´ sich nach einem Jahr bereits
wieder erneut bewerben darf ...
H:
etwas ungeduldig: Und ?
G: Als wir das letzte Mal hier vorsprachen, firmierten wir noch unter dem Namen `WahlABsage´.
Und den haben wir inzwischen geändert. Nicht nur den Namen – die ganze Stoßrichtung:
Aus der Initiative `Wahlabsage´ und ihrem Slogan `Weniger Politik, mehr Demokratie´ wurde
nach reiflicher Überlegung die Initiative `Wahlzusage´ mit dem Slogan `Mehr Politik, weniger
Demokratie´.
H: Jetzt bin ich verwirrt.
K: Das geht nicht nur Ihnen so.
H: Beruhigend.
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